Die Lockdownmaßnahmen sind nicht unumstritten. Googelt man nach Effekt des Lockdowns sowie nach einer Begründung, findet man keine befriedigenden Erklärungen. Auf lto.de ist zu lesen: „Welche Maßnahme sich als sinnvoll erweist, steht nicht „objektiv“ fest . . .“ und etwas weiter im selben Text heißt es: „Inwieweit die im Rahmen des Lockdowns beschlossenen Schließungen zur generellen Eindämmung der Pandemie eigentlich helfen, ist daher alles andere als klar.“. Focus.de listet einige Kennzahlen, mit deren Entwicklung man den Effekt des Lockdowns zu erfassen versucht. Zu diesen Kennzahlen zählen, in der auf focus.de verwendeten Reihenfolge: Entwicklung der täglich Zahl von Neuinfizierten, die 7-Tage-Inzidenz, die Belegung der Intensivbetten durch Covid-19-Patienten, die täglichen Covid-19-Todesfälle und der R-Faktor.

Zur Entwicklung der Infektionszahlen wird zunächst festgestellt, dass in der zweiten Woche nach Lockdown die Zunahme geringer ausfällt als in der ersten Woche. Daraus wird ein positiver Effekt des Lockdowns abgeleitet. Ist das die richtige Sicht auf die Dinge? Zur initialen Begründung, warum es überhaupt zu einem Lockdown kommen sollte, wurde argumentiert, dass eine weitere exponentielle Zunahme der Infektionszahlen verhindert werden müsse. Ich stelle daher die Frage, was die vergleichende Betrachtung von zwei Werten bringt? Man sollte doch – zumindest zunächst einmal – einen Bezug zur Motivation des Lockdowns herstellen und den weiteren exponentiellen Charakter der Entwicklung der Infektionszahlen untersuchen. Dazu genügt die Betrachtung zweier Werte nicht. Tut man dies richtig, so stellt man fest, dass der exponentielle Charakter bereits circa 10 Tage vor in Kraft treten des Lockdowns verschwunden war! Die Betrachtung der Kenngröße der Infiziertenzahlen scheitert also daran, dass man die zu prüfende Qualität gar nicht untersucht hat.

Bevor ich auf die anderen Parameter eingehe, stelle ich die Frage, welche Kenngrößen denn überhaupt geeignet sind, um eine Bewertung des Effekts des Lockdowns vorzunehmen? Aus meiner Sicht müssen dies Kenngrößen sein, die empfindlich und zeitnah auf Änderungen reagieren. Dazu zeige ich in der etwas weiter unten folgenden Abbildung den Verlauf verschiedener Kenngrößen: R- Faktor, tägliche Neuinfektionen, Tote pro Tag und Sterberate. Zusätzlich ist als grüne, gestrichelte Linie die relative Anzahl der Tests dargestellt. Die graue, horizontale Linie verläuft genau bei 0,5 und dient der Abschätzung der Umkehr des exponentiellen Verlaufs in die Sättigungsphase für die Zahl täglicher Neuinfektionen an Hand der roten Kurve (siehe auch hier). Alle Kurven sind auf ihr jeweiliges Maximum normiert. Normierung bedeutet, dass man alle Werte einer Kurve durch einen Bezugswert dividiert, in diesem Fall dem jeweiligen Maximum. Das bedeutet, dass jede Kurve als Maximalwert ‚1‘ annimmt, nämlich genau an der Stelle an der „Maximum/Maximum“ bestimmt wird. Diese normierte Darstellung erlaubt es, die verschiedenen Kenngrößen in einer Abbildung mit einer gemeinsamen Y-Achse zusammenzufassen. Bei einem Infektionsgeschehen beobachtet man zuerst eine Zunahme der Werte bei den verschiedenen Kenngrößen und dann eine Abnahme. Schauen wir nun, welche Kenngröße als erstes zunimmt, also als erste Veränderungen zeigt, zunächst an Hand der ersten Welle (oberes Bild).

Die schwarze, durchgezogene Linie zeigt den Verlauf des R-Faktors, der sich klar als erster verändert. Als nächstes ändert sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen (schwarze Kreuze, sowie rote Linie), gefolgt von der Anzahl an Toten pro Tag und zuletzt die Sterberate. Für die zweite Welle erscheint die Situation nicht ganz so klar. Man kann grob abschätzen, dass R-Faktor und die Zahl der täglichen Neuinfektionen nahezu zeitgleich zwischen t_{250} und t_{250} steigen, gefolgt von der Zahl der Toten pro Tag und dann von der Sterberate. Der R-Faktor beginnt deutlich vor der Zahl der täglichen Neuinfektionen zu fallen; der Umkehrpunkt vom exponentiellen Verlauf zur Sättigungsphase wird aber erreicht, bevor der R-Faktor zu fallen beginnt.

Aus den Kurvenverläufen von erster und zweiter Welle sowie die Änderungen in zunehmender und fallender Richtung betrachtend, schließe ich, dass der R-Faktor als erster reagiert und damit der empfindlichste Indikator für Änderungen herangezogen werden kann. Als zweiter guter Indikator dient die Änderung der täglichen Neuinfektionen. Der Verlauf der Toten pro Tag sowie Sterberate scheint hingegen deutlich weniger geeignet, da Effekte erst zeitlich deutlich verzögert zu beobachten sind. Aus letzterem schließe ich implizit, dass auch der Verlauf der Belegung der Intensivbetten nicht geeignet ist, Rückschlüsse auf die Ursache ziehen zu können.

Auf Grund dieser Erkenntnis, vergleiche ich nun den Zeitpunkt der Änderungen, die eine Verbesserung andeuten aus R-Faktor und Zahl täglicher Neuinfektionen und setze die entsprechenden Zeitpunkte in Bezug zum Tag des Beginns des jeweiligen Lockdowns. An dieser Stelle muss bezüglich der Zahl der täglichen Neuinfektionen noch betont werden, dass, worauf auch Frau Merkel aufmerksam machte, das Ende der exponentiellen Zunahme als Zeitpunkt der beginnenden Verbesserung anzunehmen ist.

Der erste Lockdown trat an t_{63} (23.03.2020) in Kraft. Der R-Faktor beginnt an t_{44} (05.03.2020) zu fallen, die Zahl der täglichen Neuinfektionen erreicht an t_{58} (18.03.2020) ihren Wendepunkt. Der zweite Lockdown trat an t_{286} (02.11.2020) in Kraft. Der Umkehrpunkt der Zahl der täglichen Neuinfektionen wird an t_{274} (21.10.2020) erreicht, der R-Faktor beginnt an t_{283} (30.10.2020) zu fallen. Damit zeigen die beiden empfindlichsten Indikatoren für beide Lockdown Perioden eine Umkehr des Infektionsgeschehens vor in Kraft treten des jeweiligen Lockdowns an.

Schlussfolgerung

Ich persönlich ziehe aus der obigen Darstellung den Schluss, dass beide Wellen auch ohne Lockdown ihr Ende gefunden hätten. Das bedeutet nun nicht, dass keine Maßnahmen notwendig wären. Es bedeutet aber im Besonderen, dass eben genau die Lockdown Maßnahmen nicht die Wende zum Besseren herbeigeführt haben können, da diese vor dem jeweiligen Lockdown zu beobachten war. Die weitreichenden Einschränkungen unserer Freiheiten, die über den Lockdown eingeführt wurden, sind damit nach meiner festen Überzeugung unbegründet.

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