Lockdown: Forderung nach Berechenbarkeit und Bewertungskriterien

Nach dem „Lockdown – light“ vom 02.11.2020 laufen die Diskussionen über weitere und weitergehende Maßnahmen auf Hochtouren. Anfang November wurde als Begründung für den Lockdown angeführt, dass ein weiteres exponentielles Ansteigen der Infektionszahlen verhindert werden muss. In diesem Kontext wird Merkel zitiert: ‚Zwar sei durch die seit Anfang November geltenden Einschränkungen eine Stabilisierung erreicht worden, . . . Dies sei aber nicht ausreichend. „Die Zahlen stabilisieren sich etwas. Aber zu langsam“‚. Wichtig ist hier die Äußerung, dass durch die seit Anfang November geltenden Einschränkungen eine Stabilisierung erreicht worden sei. An anderer Stelle wird Merkel mit einer ähnlichen Aussage zitiert: ‚Merkel betonte, das „exponentielle Wachstum“ der Pandemie sei zwar durch die Ende Oktober beschlossenen Maßnahmen erst einmal gestoppt worden – es sei aber deutlich zu erkennen, dass „eine Trendumkehr noch nicht erreicht ist“.‘ Oder aber: „Infektionszahlen stabilisieren sich zu langsam“.

Unabhängig davon, welcher Zustand erreicht werden muss, damit die Lockdown- Maßnahmen reduziert werden können, sollte der Bürger einen Anspruch darauf haben, berechenbare Kriterien zu erhalten, an denen er sich orientieren kann. Wenn an einem Tag verlautbart wird, der exponentielle Anstieg müsse gestoppt oder eine Trendwende erreicht werden und sinngemäß an einem anderen, dass sich die Infektionszahlen schneller stabilisieren müssen, kann von Berechenbarkeit keine Rede sein. Ein Verweis auf Belege dafür, dass das exponentielle Wachstum durch die beschlossenen Maßnahmen gestoppt wurde, wurde nicht mitgeliefert. Es fehlt also an Bewertungskriterien und an Belegen für die Wirksamkeit der Maßnahmen.

Ein weiteres wichtiges Argument lautet: ‚Doch klar sei: „Wenn wir warten würden, bis die Intensivbetten voll belegt sind, wäre es zu spät.“‚ Man hat Angst vor einem überlasteten Gesundheitssystem. Dies klingt nachvollziehbar. Hat aber irgendjemand definiert, woran man ein überlastetes Gesundheitssystem erkennt? Die Zahl der belegten Intensivbetten mag ein Hinweis sein; doch, was wäre die Folge davon? Ich würde da mal die Entwicklung der Sterberate betrachten. Zum einen die Corona Fallsterblichkeitsrate, zum anderen die Übersterblichkeit. Hat irgendjemand, an Hand realer Zahlen (bitte keine Simulationen), überprüft, wie sich die Sterberate entwickelt, wenn ein Gesundheitssystem überlastet ist? Die Apotheken-Umschau schreibt dazu: „Ein Gespenst geht um: Die Überlastung des Gesundheitssystems durch Corona. Doch wie viele Neuinfektionen hält unser Land aus? Die Antwort darauf ist entscheidend – und kaum zu beantworten“. Wenn diese kritische Frage kaum zu beantworten ist, taugt dieses Kriterium dann zur Bewertung der Situation? Interessant ist auch, dass die Apotheken- Umschau die Zahl der belegten Intensivbetten als Kriterium nennt. Ein Verweis auf eine Sterberate findet sich nicht. Eine weitere Folge einer Überlastung des Gesundheitssystems könnten Spätfolgen einer Coronaerkrankung auf Grund fehlender oder unzureichender Behandlung sein. Doch sind laut RKI „Langzeitfolgen, auch nach leichten Verläufen, [sind] derzeit noch nicht abschätzbar.“ Auch dieses Kriterium kann derzeit offenbar nicht für eine Abschätzung für eine Überbelastung des Gesundheitswesens herangezogen werden.

Es fehlt also an Berechenbarkeit als auch an Überprüfbarkeit. Es wäre damit nicht allzu verwunderlich, wenn die Akzeptanz für einen Lockdown mit der Zeit abnimmt.