Liberalismus ist ein Begriff, dem man bis heute so viele Bedeutungen beigemessen hat, dass er im „eigentlichen“ Sinn nicht mehr brauchbar ist. Wer sich einen Begriff davon machen möchte, was Liberalismus im guten Sinne bedeuten könnte, dem sei Ludwig von Mises gleichnamiges Buch empfohlen. An sich beschreibt Liberalismus eine Gesellschaftsform, die das Individuum in das Zentrum rückt. Und vor allem auch das uneingeschränkte Selbstbetimmungsrecht über den eigenen Körper. Das heißt nicht, dass jeder tun und lassen kann, was er will. Eine schöne Definition liefert die bekannte Formulierung, dass „die Freiheit des Einzelnen nur wo weit gehen kann, wie sie die Freiheit des anderen nicht einschränkt“. Ein schöner Gedanke. Aber in der Geschichte der Menschheit ist Liberalismus in keinem einzigen Land jemals realisiert worden. Wir Menschen scheinen nicht dafür gemacht zu sein. Nach meinem Dafürhalten kommt die Hanse dem Ideal des Liberalismus noch am nächsten. Zwar war in den einzelnen Städten kein Liberalismus ausgeprägt, aber der Verbund der Städte überließ die inneren Geschicke jeder einzelnen Stadt selbst. Gemeinsam verteidigte man sich gegen Angriffe von außen, zum Beispiel gegen Piraten aber auch gegen Königreiche. Doch mittlerweile ist die Hanse Geschichte. Man kann festhalten, dass es den Liberalismus selbst nie als Staatsform gab und das, was ihm am nächsten kam, ist untergegangen. Andere Regierungsformen konnten dagegen realisiert werden, wie etwa Königreiche, Despotien, Diktaturen und Demokratien. Aber auch diese sind dem Prozess des Werdens und Vergehens unterworfen.

Mit am freiesten hat man sich in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg in westlichen Demokratien fühlen können. Schauen wir uns am Beispiel Deutschlands an, wie es in der Demokratie mit dem oben beschriebenen Freiheitsideal aussieht. Mit anderen Worten, ist sichergestellt, dass Einzelne ihre Freiheit nicht nutzen, um die Freiheit anderer einzuschränken? In einer Demokratie entscheidet eine Mehrheit über eine Minderheit. Minderheiten sind über den Rechtsstaat geschützt, Mehrheitsentscheidungen müssen daher gesetzeskonform sein, dennoch wird erwartet, dass man sich als guter Demokrat demokratischen Mehrheitsentscheidungen fügt. Allein dieses Verständnis reicht aus, um zu erkennen, dass das oben beschriebene Freiheitsideal in einer Demokratie nicht eingehalten werden kann. Wollen wir diese Einschränkung zunächst einmal als gegeben akzeptieren. Welche Forderungen muss man an eine Demokratie stellen, damit diese die Freiheit zumindest soweit wie möglich sicherstellen kann? Dazu muss als erstes der Begriff der Rechtsstaatlichkeit und damit zwangsläufig der Begriff der Gewaltenteilung betrachtet werden. Wie sieht es damit in Deutschland aus? Hier muss leider festgestellt werden, dass diese nicht vollständig ausgeprägt ist. Die Staatsanwaltschaft ist gegenüber der Exekutive weisungsgebunden. Tut die Exekutive also etwas, was nicht gesetzeskonform erscheint, braucht sie den juristischen Prozess, der einen möglichen Gesetzesübertritt untersuchen könnte, erst gar nicht zu starten. Dazu kommt noch, dass die höchsten Richter gemäß eines Parteienproporzes von diesen eingesetzt werden. Es kann also nicht nur von der Exekutive entschieden werden, was einem Gerichtsverfahren unterworfen wird, nein sie kann auch noch Einfluss darauf nehmen, welche Personen darüber richten.

Ein weiterer Aspekt, den man ansprechen muss, ist die Frage, von wem in einer Demokratie die Macht ausgeht, oder, wer ist der Souverän? Dazu heißt es in der deutschen Verfassung ganz klar, alle Macht geht vom Volke aus. Doch verhält es sich in der Bundesrepublik Deutschland eben so, dass der Souverän, das Volk, noch nicht einmal einen gesetzlichen Anspruch auf einen Volksentscheid hat. Dieser besteht nur auf Länderebene und muss dort hohe Hürden nehmen, um überhaupt zugelassen zu werden. Das bedeutet, der Souverän hat keine Möglichkeit, unmittelbar Macht auszuüben sondern ausschließlich mittelbar über das Parlament. Das erlaubt es aber den Regierten nicht, die Regierenden unmittelbar zu kontrollieren.

Als nächstes schauen wir uns die freie Presse an. In der Bundesrepublik Deutschland wurde ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk etabliert, der von Gebühren finanziert wird, die verpflichtend von jedem gezahlt werden müssen. Inhalte, sowie leitende Positionen, werden dabei unter direkter Beteiligung über den Rundfunkrat von politischen Fraktionen mitbestimmt. Somit ist nicht sichergestellt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk vollkommen unabhängig von der Exekutive ist.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Exekutive sowohl die Kontrolle über die Steuern, die Rundfunkgebühren sowie über die Jurisdiktion hat und in ihrem Tun nicht unmittelbar durch den Souverän kontrolliert werden kann. Wollen wir als Gesellschaft echte Demokratie und echte Rechtsstaatlichkeit, müssten wir als erstes auf eine vollständige Teilung der Gewalten hinwirken. Als Souverän müssen wir das Recht auf unmittelbare Ausübung der uns zustehenden Macht einfordern. Die Exekutive darf keinen Einfluss auf inhaltliche und personelle Entscheidungen im öffentlich rechtlichen Rundfunk haben. Durch welche Maßnahmen könnten diese Ziele erreicht werden?

  • Es sollte ein Gesetz erlassen werden, so dass es dem Souverän grundsätzlich möglich ist, mindestens einmal pro Legislaturperiode eine Volksabstimmung durchzuführen. Für die Durchführung der ersten Volksabstimmung in einer Legislaturperiode dürfen die Hürden nicht hoch sein
  • Der Exekutive muss die Weisungsbefugnis über die Jurisdiktion entzogen werden
  • Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss unabhängig von Parteipolitik werden. Keine Politiker, auch nicht ein Drittel, in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Warum sollten diese drei genannten Punkte wichtig oder gar notwendig sein? Betrachten wir dazu die jüngere deutsche Geschichte. 2007/2008 hatten wir die letzte große Weltwirtschaftskrise. Bezogen auf das EU-Europa betraf dies überwiegend südliche Länder der Gemeinschaft. Diese konnten ihre Schulden nicht mehr alleine tragen. Also hat die EU zunächst den EFSF ins Leben gerufen und daraus später den ESM entwickelt. Faktisch hat man damit aber das „no-bail-out Abkommen“ ausgehebelt. Dieses in Gesetzesform gegossene Abkommen verbietet die Vergemeinschaftung von Schulden in der EU, mit anderen Wort, es verbietet eine Schuldenunion. Obwohl immer wieder, unter anderem auch durch Frau Merkel, betont wurde, dass es keine Schuldenunion geben werde, ist die EU faktisch diesen Schritt gegangen: Formal gesehen stehen die Schulden der Schuldnerländern in den Büchern, eine Rückzahlung ist vorgesehen. Seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 sind jedoch die Forderungen der Deutschen Bundesbank gegenüber der EZB gestiegen und liegen derzeit bei über einer Billion Euro (eine Eins mit zwölf Nullen: 1.000.000.000.000). Die Forderungen werden seit Jahren nicht beglichen. Diese Missachtung des no-bail-out Abkommens hat für die Herrschenden bis heute keinerlei Konsequenzen. Als zweites Beispiel sei die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 genannt. Die Öffnung der Grenzen Deutschlands, die es Flüchtlingen erlaubte, aus sicheren Drittstaaten nach Deutschland einzureisen, verstößt gegen die Dublin III-Verordnung. Es gab erhebliche juristische Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grenzöffnung. Es ist gar nicht nötig die Rechtmäßigkeit selbst an dieser Stelle zu diskutieren. Es ist aber nur schwer nachvollziehbar, warum man es von Seiten des Gesetzgebers offensichtlich nicht für nötig erachtet, die Grenzöffnung auf sichere juristische Beine zu stellen. Bei einer derart großen gesellschaftlichen Unterstützung für das Flüchtlingsproblem und Verantwortung für die Not leidenden Menschen, hätte man sich zunächst auf eine Übergangsregelung im Sinne eines „Schnellverfahrens“ einigen können. In einem zweiten Schritt hätte man dann in einem rechtsstaatlichen Prozess einen Rechtsrahmen schaffen können, der einen anerkannten Flüchtlingsstatus unangreifbar macht. So setzen wir Flüchtlinge, die aus Not geflohen sind, der Unsicherheit aus, irgendwann den Flüchtlingsstatus zu verlieren. Ein Parlament von gut 700 Parlamentariern, das in vierundzwanzig Stunden ein Gesetz zur Erhöhung der Diäten verabschieden kann, sollte genügend Manpower haben, ein entsprechendes Gesetzesvorhaben in drei Monaten in trockene Tücher zu bringen. Als drittes Beispiel möchte ich Entscheidungsprozesse in Zeiten der Corona Pandemie nennen. Frau Merkel bespricht sich und entscheidet zusammen mit den Ministerpräsidenten der Länder zum Beispiel über Regelungen eines Lockdowns. Weder Bundes- noch Länderparlamente werden entscheidend in diesen Prozess eingebunden. Dabei besagt der Parlamentsvorbehalt, „dass alle Entscheidungen, die von substanziellem Gewicht für das Gemeinwesen sind, eine direkte parlamentarische Zustimmung brauchen„. Der Parlamentsvorbehalt tangiert damit nicht direkt das Grundgesetz sondern spricht von substantiellen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Die aktuell getroffenen Entscheidungen sind substantiell. Sie betreffen vor allem unser Sozialleben aber auch entscheidend unsere Wirtschaft. Die Exekutive entscheidet und bezieht das Parlament nicht in den Entscheidungsprozess ein. Eine Mehrheit im Lande scheint das gut zu finden.

Gerade wir Deutschen sollten wissen, dass zu viel Macht in den Händen weniger, nicht zwingend gut sein muss. Alleine die Möglichkeit, dass Macht missbraucht werden kann, sollte ausreichen, um rechtsstaatliche Prozesse einzufordern. Es geht nicht darum, irgendjemandem etwas Böses zu unterstellen, es geht „nur“ darum, Bösem vorzubeugen. Wir als Souverän haben die Pflicht auf die Einhaltung unserer schwer erkämpften Rechtsstaatlichkeit zu pochen und zu verhindern, dass ein Virus unsere Freiheit auf ein unerträgliches Maß zusammen stutzt. Dies kann nach meiner Überzeugung schon hinreichend durch die oben genannten drei Forderungen erreicht werden. Diese fasse ich noch einmal kurz zusammen:

  1. Eine Volksabstimmung pro Legislaturperiode auf Bundesebene mit niedriger Hürde
  2. Abschaffung der Weisungsgebundenheit der Jurisdiktion
  3. Keine Politiker in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

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