Die Begriffe „libertär“ und „Staat“ schließen sich eigentlich gegenseitig aus. Dies gilt spätestens dann, wenn man unter einem Staat ein Gebilde versteht, in dem sich alle Mitglieder zumindest in einem Punkt einer Mehrheitsentscheidung unterordnen. Unterstellt man, dass diese Mehrheitsentscheidung nicht einstimmig getroffen wurde, folgt die Minderheit in diesem Punkt nicht den eigenen Überzeugungen. Positiv formuliert schränkt die Minderheit ihre Freiheit selbst ein. In einer Privatrechtsgesellschaft könnte man das verhindern, in dem man nur Verträge abschließt, die den eigenen Überzeugungen entsprechen. Ich spreche trotzdem von einem Staat, da sich, nach meiner Einschätzung, die meisten Menschen eine Gesellschaft in Form eines Staates vorstellen. „Staat“ steht also zunächst nur dafür, dass man sich als Gesellschaft „irgendwie“ organisiert.

Das große Scheitern oder eine biologische Lösung

In den vorangegangenen Beiträgen habe ich häufig von Utopie gesprochen. Selbst die Idee der Schaffung eines Rechtsstaats mit echter Gewaltenteilung halte ich für eine Utopie. Damit meine ich, dass der Durchschnittsintellekt des Homo sapiens, der eine Gesellschaft determiniert, nicht die Fähigkeit zur Durchsetzung eines Gemeinwesens mit echter, sprich dauerhafter Gewaltenteilung besitzt. Dies führe ich auf die Unfähigkeit zu echter Selbstreflexion zurück: Einmal erlangte Überzeugungen werden auch dann nicht verworfen, wenn am Ende des eigenen „kritisch-rationalen“ Denkprozess eine Widerlegung dieser Überzeugungen steht. Die Breite Masse ist damit zumindest insofern manipulierbar, als dass sie den Widerspruch hinnimmt und „trotzdem“ der Führung folgt. Aus diesem Grund behaupte ich werden Homo sapiens Gesellschaften immer scheitern. Eine Umwandlung bestehender Gesellschaften von innen heraus kann daher nicht gelingen, bestenfalls temporär (siehe auch den Newsletter von adpunktum S.5 zum Thema Gesellschaftsformen).

Gerade in alternativen Medien liest man viel Kritik an bestehenden Verhältnissen. Man schaut dabei auf andere und macht sich sehr viel Mühe damit, sich mit deren Gedanken, Leistungen, Versagen zu beschäftigen (z.B. 1, 2). Ich bin der Überzeugung, dass man mehr auf sich selbst und seines Gleichen schauen sollte und was man selbst denken und erschaffen könnte: Fokus nach innen, nicht nach außen; machen nicht meckern. Genau in diesem Sinne äußert Sascha Koll, „dass man die Machthaber, den Staat, oder wie auch immer man diese Berufskriminellen nennen will, bloß konsequent ignorieren müsste, um sie loszuwerden.“

In diesem Sinne bedarf es der Abspaltung einer kritischen Masse von Menschen in mehrere unabhängige parallele Strukturen. Diese Menschen charakterisieren sich vor allem dadurch, dass sie zur Selbstreflexion in der Lage sind, dass sie erkennen, wann ein eigener Gedanke falsch ist und dass sie bereit sind, diesen zu verwerfen. Sie sind außerdem zu freiwilliger Kooperation fähig und lehnen Machtausübung über andere ab. Diese Menschen gründen eine Privatrechtsgesellschaft. Und aus dem Wunsch heraus, um nicht zu sagen Sehnsucht, sich die neue Gesellschaft nicht zerstören lassen zu wollen, werden sie Zuwanderung zwar begrüßen aber gründlichst kontrollieren. Selbstverständlich werden sie Abwanderung zulassen. Auf der anderen Seite werden nur solche der neuen Gesellschaften überleben, die auch bereit sind, erhebliche Mittel in die äußere Verteidigung zu investieren.

Durch die daraus automatisch und freiwillig entstehende neue Gesellschaft, man hat sich abgespalten, freiwillig zusammengefunden und niemanden vertrieben, ergibt sich eine räumliche Trennung einer Gruppe von Menschen, die sich signifikant von den zurückgelassenen Menschen unterscheidet. Diese Form von räumlicher Trennung kann als Anfang zur Ausbildung einer neuen Homo sapiens Unterart angesehen werden. Manche verweisen gar auf genetische Unterschiede. Robert Grözinger zum Beispiel schreibt, dass es für den Menschen grundsätzlich zwei Arten gibt, sich mit einem Problem auseinanderzusetzen: „Erstens: Er schließt sich der „Herde“ an und tut, was sie tut. . . . Zweitens: Er nutzt seine geistigen Fähigkeiten, um das Problem . . . zu lösen“ und vermutet, „Der Grund dafür sei in der Genetik zu verorten.“. Philipp A. Mende wiederum fragt: „Gibt es wissenschaftliche Evidenz für die Annahme, dass sich hinter den zum Teil extremen Unterschieden in „linken“ und „rechten“ (konservativen) Denk- und Verhaltensmustern evolutionspsychologische und genetische Gründe verbergen könnten?“. Diese neue Unterart wird dauerhaften Angriffen von Homo sapiens Gesellschaften ausgesetzt sein. Es entsteht ein Selektionsdruck, der nur solche neuen Gesellschaften überleben lässt, die sich verteidigen können.

Die Fähigkeit zur Ausprägung einer sich selbst verteidigenden Privatrechtsgesellschaft und mit ihr eines freien Marktes, wird diese der Homo sapiens Gesellschaft weit überlegen machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die neue Unterart sich durchsetzen wird, ist gegeben. Oder ist auch dies nur eine Utopie? Die Bildung neuer Arten und das verschwinden alter ist keine Utopie sondern brutale(,) biologische Realität.

Damit komme ich auf den ersten Abschnitt dieser Beitragsreihe zurück. Menschen libertären Geistes finden sich zusammen und gründen eine eigene Gemeinschaft. Die räumliche Separation kann den Beginn einer Aufspaltung des Homo sapiens in zwei Unterarten darstellen. Die neue Unterart unterscheidet sich zumindest in zwei Eigenschaften signifikant vom Homo sapiens. Zum einen sind deren Individuen zu echter Reflexion fähig. Zum zweiten zeichnet sich die neue Unterart durch ihren Willen und Fähigkeit zur Verteidigung der eigenen Gesellschaft aus. Neben der Fähigkeit zur Selbstreflexion und dem Willen zur Selbstverteidigung wird die Fähigkeit zur Kooperation ohne Machtanspruch notwendig sein. Letzteres erscheint bei den Libertären, die ich im Sinne habe, aber bereits in Fleisch und Blut übergegangen zu sein. Ob dies im Rahmen einer Privatrechtsgesellschaft gelingen kann? Zweifel sind berechtigt. Wenn sich mehrere solcher Gesellschaften ausbilden, ist am Ende vielleicht eine dabei, die den Herausforderungen gewachsen ist.

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