Dieser Beitrag fasst alle vorangegangen zehn Teile in einem zusammen. Es werden das Thema „libertärer Staat“ behandelt und Wege diskutiert, wie, beziehungsweise ob dieser realisiert werden kann. Zunächst möchte ich einige Fragen voranstellen:

  • Wie könnte sich ein libertärer „Staat“ etablieren?
  • Warum hat es bis heute keinen einzigen echten libertären Staat auf der ganzen Welt gegeben, wenn dessen Wirtschaftsform, die freie Marktwirtschaft, der Kommandowirtschaft doch so sehr überlegen sein soll?
  • Wie wehrt er sich gegen Angriffe von innen und außen?
  • Wie stellt man in einem rechtsstaatlich organisierten Gemeinwesen die Gewaltenteilung sicher, wenn die erste Gewalt im Besitz des Gewaltmonopols ist?
  • Wenn Ludwig von Mises in seinem Buch „Kritik des Interventionismus“ mit seiner Aussage recht hat, dass es zwischen den beiden Wirtschaftsformen freier Markt auf der einen und der Kommandowirtschaft auf der anderen Seite, keinen dritten Weg gibt, kann es dann einen dritten Weg zwischen den beiden Gesellschaftsformen Privatrechtsgesellschaft und totalem Staat geben?

In folgenden Abschnitten möchte ich die Fragen nach und nach aus meiner subjektiven Sicht behandeln. Es beginnt vage und spekulativ um später etwas konkreter zu werden.

Die Frage, was ein libertärer Staat sein soll, spielt keine entscheidende Rolle und wird nicht behandelt. Es genügt anzunehmen, dass es sich dabei, sehr vereinfacht gesprochen, um das Gegenteil von dem handelt, was wir von der UdSSR oder der DDR her kennen. Also möglichst viel Freiheit und Selbstbestimmung für den einzelnen innerhalb klar definierter Grenzen. Damit grenzt sich der Liberalismus, den ich im Sinn habe, von seiner extremen Form, dem Laissez-faire ab.

Gründung eines libertären Staates

Warum denn gleich einen Staat gründen? Tut es für’s erste nicht auch eine freie Privatstadt? An dieser Stelle geht es nicht darum, Alternativen gegeneinander auszuspielen. Alles was in Richtung Freiheit geht, ist willkommen. Der Artikel beschäftigt sich aber mit dem Begriff Staat, um diesen gegen den Begriff Privatrechtsgesellschaft abzugrenzen. Im Prinzip kann man sich alternative libertäre Gesellschaftsformen denken. Das ändert nichts an der grundsätzlichen Diskussion zwischen diesen beiden Gesellschaftsformen.

Warum nicht vom Gegner lernen? Es war selten leichter als in der heutigen Zeit, sich mit einer ausreichenden Zahl Gleichgesinnter in Gemeinden niederzulassen, aus denen andere Menschen scharenweise abwandern. In diesen Gemeinden ergibt sich durch diesen Prozess eine Mehrheit der Zugezogenen, die sich in etablierten Strukturen, wie Gemeinderäten, politisch persistieren muss. Damit wäre man in der Position, eigene Strukturen und Rahmenbedingungen entwickeln und durchsetzen zu können. Eine lokale libertäre Gesellschaft prägt sich aus. Das vorrangige Ziel muss es dabei sein, die Gemeinde handlungs- und überlebensfähig und zwar möglichst unabhängig vom aktuellen Staat zu machen. Damit ist nun nicht die Errichtung einer autarken Struktur gemeint, sondern die Einbettung der Gemeinde in verlässliche Handelsbeziehungen. Mögliche „Staatsformen“ werden weiter unten besprochen.

Sobald dieser Zustand erreicht ist, erklärt die Gemeinde ihre Unabhängigkeit. Damit wird man sich den Unmut des Reststaates auf sich ziehen, der sicherlich alles versuchen wird, die Sezession nicht anzuerkennen, unabhängig davon, dass das Grundgesetz weder Austrittsklauseln noch Austrittsverbote enthält. Es wäre sicherlich von Vorteil, koordiniert aber unabhängig voneinander, in anderen Gemeinden vergleichbare Prozesse zu starten und dort ebenfalls die Unabhängigkeit zu erklären. Damit könnte man den Ursprungsstaat dazu bringen, seine Kräfte entweder verteilen zu müssen oder aber einzelne Gemeinden gewähren zu lassen. Ein frühzeitiges militärisches Eingreifen halte ich für unwahrscheinlich, erst recht bei der Betrachtung der Kompetenz der aktuellen politischen Führung. Dabei spielt das Verhalten der Weltöffentlichkeit eine untergeordnete Rolle. Wie man am Beispiel Spanien und Katalonien sehen kann, wird diese eher nicht eingreifen. Weiterhin muss sichergestellt werden, dass sich die libertäre Gesellschaft signifikant an der Berichterstattung über die Vorgänge beteiligt und dass diese Berichte von einer kritischen Masse im Reststaat lebender wahrgenommen werden. Auch hier stehen die Zeichen spätestens seit der Übernahme Twitters durch Elon Musk gut.

Die Bewohner umliegender Gemeinden müssen gegenüber ihrer eigenen politischen Führung kritisch gestimmt werden. Dies nicht nur durch Berichterstattung über die eigenen Erfolge sondern zum Beispiel durch die Bereitstellung bezahlbarer Energie, Nahrungsmittel und einem vertrauenswürdigen Zahlungsmittel. Für den Anfang wird es genügen, den Nachbarn günstige Energie anzubieten. Grundsätzlich gilt es, Zweifel zu sähen, dass der Ursprungsstaat einen höheren Wohlstand erzeugen kann und den Herausforderungen der Zeit besser gewachsen ist, als man selbst.

Das gleiche Spiel muss auch auf höherer Ebene gespielt werden. Machtpolitiker, besonders heutiger Prägung, korrumpieren nicht nur, ich halte sie selbst auch für korrupt. Also warum nicht korrupte Politiker korrumpieren? Man könnte ihnen, wie einst Franz-Josef Strauss der DDR, Mittel zufließen lassen und damit allzu negative Aktivitäten unterbinden. Außerdem würde der Ursprungsstaat noch etwas länger existieren, besser, vor sich hin vegetieren, bevor es dann zu seinem unausweichlichen Zusammenbruch kommt. Bisher hat noch kein sozialistisch, zentralistisch organisierter Staat auf Dauer überlebt.

Stabilisierung des libertären Gemeinwesens

Auch wenn man feststellen kann, dass noch kein sozialistischer Staat lange überlebt hat, muss man fairer Weise zugeben, dass es diese überhaupt gab. Im Gegensatz dazu hat es noch gar keinen echten libertären Staat gegeben. Muss man daraus nicht den Schluss ziehen, dass dieser nicht möglich ist?

Ludwig von Mises hat gezeigt, dass die freie Marktwirtschaft der Kommandowirtschaft nicht nur weit überlegen, sondern dass letztere zum Scheitern verurteilt ist. Damit eine freie Marktwirtschaft aber auf Dauer existieren kann, braucht es eine Gesellschaftsform, deren Verfassung diese Wirtschaftsform dauerhaft absichern kann. Am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland kann man zeigen, dass eine solche Verfassung bereits mit Gründung vorhanden sein müsste. Genau dies galt für die Bundesrepublik Deutschland nicht. Mit einer recht freien Marktwirtschaft gestartet, fing der Staat an immer mehr zu wuchern und ist, so steht zu befürchten, auf dem besten Weg zur DDR 2.0. Dies war nur möglich, da es keine echte Gewaltenteilung gab: die Staatsanwaltschaft als Teil der Judikative ist der Exekutive gegenüber weisungsgebunden. Merkel hat während der Pandemie die Legislative ausgehebelt, in dem sie eine Ministerpräsidentenrunde einsetzte. Sie hat außerdem den Föderalismus ignoriert, in dem sie faktisch die Absetzung eines demokratisch legitimierten Ministerpräsidenten durchgesetzt hat. An der Spitze des Bundesverfassungsgerichtes steht ein ehemaliger Politiker. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird von Zwangsgebühren finanziert und entscheidend von Politikern geführt. Ähnlich dürfte es jedem anderen Staat ergangen sein, der sich auf den libertären Weg machte. Rechtsstaatliche Strukturen werden unterwandert und ausgehebelt.

Damit sich ein libertär ausgerichteter Staat überhaupt gründen kann, braucht es, nach meiner Vermutung, Gönner, die die ersten Schritte unterstützen. Denn es gab ja vor dieser Gründung Machtstrukturen. Diese Strukturen müssten auf ihre Macht verzichten und zwar vollständig. Tun sie dies aber ohne jede Gegenleistung oder verlangen sie so etwas wie Sonderrechte im neu entstehenden Gemeinwesen?

Meint man es Ernst, muss bereits mit Gründung der Grundstein der Stabilität eines libertären Gemeinwesens gelegt sein. Das heißt absolute Gewaltenteilung und kein Gewaltmonopol. Bestehende Mächte müssen damit komplett auf ihre Macht verzichten. Das wird nicht passieren. Deshalb muss die Gründung unabhängig von bestehenden Machtstrukturen erfolgen, zum Beispiel über die im ersten Abschnitt beschriebene Sezession.

Aus meiner Sicht kann Gründung und Stabilisierung am ehesten in unsicheren Zeiten gelingen, wenn die big player bereits stark in andere Aktivitäten eingebunden sind. Zum zweiten muss der ganze Vorgang wie ein Kristallisationsprozess aufgesetzt sein. Man muss mit einer kleinen aber kritischen Masse unabhängiger Gemeinden beginnen und benachbarte Regionen durch die eigene Leistung über die Zeit von der eigenen Überlegenheit überzeugen.

Äußere Verteidigung

Neben der Stabilisierung und dem Ausbau von Handelsbeziehungen steht die vertragliche Verbindung zu anderen, vergleichbaren libertären Gemeinwesen aber auch zu Staaten zur gemeinsamen Absicherung im Vordergrund. Zusätzlich müssen eigene militärische Strukturen zur Verteidigung aufgebaut werden. Ich bin ganz sicher kein Experte auf diesem Gebiet, um zu wissen, was genau getan werden muss und welche Mittel dafür bereitgestellt werden müssen. Aber ohne eine schlagkräftige Verteidigungsstruktur wird eine dauerhafte Verteidigung nicht möglich sein. Große Staaten wie China oder die USA wird es, wenn nicht immer, dann doch noch eine ganze Weile geben. Und diese werden ihre eigenen Interessen auf Biegen und Brechen versuchen durchzusetzen. Die Zerstörung der Nordstream Pipelines, wer auch immer das war, ist ein warnendes Beispiel. Man kennt offenbar keine Grenzen, um den eigenen Status zu verteidigen.

Dies bedeutet aber, dass man in der Lage sein muss, sich gegen Länder wie die USA, Russland oder China verteidigen zu können, gegebenenfalls sogar gegen eine Allianz. Dies klingt nach einer nicht zu lösenden Mammut Aufgabe. Ich habe jedenfalls mehr als nur Zweifel, dass dies gelingen kann. Alles nur eine Utopie?

Innere Verteidigung

Betrachtet man die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit Gründung, so kann man zu dem Schluss kommen, dass der Sicherung der Gewaltenteilung ein große, wenn nicht größte Bedeutung beizumessen ist. Spätestens unter Merkel wurden die einzelnen Gewalten durch geschicktes Management der Delegierten unterwandert. Parlamentarier fühlen sich heute nicht mehr nur ihrem eigenen Gewissen und dem Souverän sondern der Fraktion verpflichtet. Als Bürger wähle ich aber keine Fraktion sondern Parlamentarier. Mit der Zeit scheint das Parlament, die zweite Gewalt, zu einer Einrichtung mutiert zu sein, die nur noch dazu da ist, um die Entscheidungen der ersten Gewalt abzunicken. Noch schlimmer sieht es mit der dritten Gewalt, der Judikative, aus. Sie ist organisatorisch von der Exekutive abhängig. Das bedeutet, es gibt in der Bundesrepublik Deutschland keine tatsächlich unabhängige Dritte Gewalt. Auf EU Ebene oder bei der sogenannten „Vierten Gewalt“ sieht es nicht besser aus.

Daraus folgt, dass die libertäre Gesellschaft bereits so gegründet sein muss, dass eine Übernahme durch machtgierige Menschen verhindert werden kann. Strukturen wie Polizei, Zivilschutz, Feuerwehr usw. sind zwar notwendig, aber gegenüber der Errichtung und Aufrechterhaltung einer echten Gewaltenteilung zweitrangig zu betrachten. Die Absicherung des Rechtsstaates nach innen erreicht man also nicht durch Entwicklung von Sicherheitsstrukturen, wie Polizei, nach Gründung der Gesellschaft. Nein, die Verteidigung und Aufrechterhaltung einer echten Gewaltenteilung muss bereits mit Gründung verankert sein.

Rechtsstaat

Der Begriff Rechtsstaat beinhaltet das Wort „Staat“. Eine einheitliche Definition dieses Wortes gibt es nicht (Beispiele). Aber es gibt Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Auffassungen. Dazu zählt die Gliederung des Staats in solche, die Herrschaft ausüben und solche, die dieser Herrschaft untergeordnet sind. Hinzu kommt irgendein Verständnis einer „rechtlichen Verfasstheit“ oder eines „Rechts“ sowie „öffentlicher Ordnung“ eines Staates, wobei denjenigen, die die Herrschaft ausüben, die Aufgabe zufällt, diese Ordnung mit Gewalt durchzusetzen. Man spricht von Staatsgewalt und versteht darunter ein Monopol oder einen Staatsapparat, der die (öffentliche) Ordnung durchsetzen kann.

In einem Gemeinwesen, das sich durch Ausprägung von Rechtsstaatlichkeit und damit von Gewaltenteilung definiert, stellt sich damit die Frage, inwiefern es notwendig ist, dass zur Durchsetzung der Ordnung auch ein Gewaltmonopol notwendig ist. Wenn die Aussage richtig ist, dass „Macht korrumpiert“, darf man schließen, dass eine Gewalt, die im Besitz des Gewaltmonopols ist, irgendwann willens sein wird, dieses Gewaltmonopol zu nutzen, in dem es diese gegen die anderen beiden Gewalten zum Einsatz bringt.

Würde man alle drei Gewalten mit einer „Gewalt“ (damit sind polizeiähnliche Strukturen gemeint) ausstatten, um die jeweiligen spezifischen Aufgaben durchsetzen zu können, könnte man sich das Entstehen eines Kräftegleichgewichts vorstellen. Ergänzt man das Gemeinwesen noch um das Prinzip einer föderalen Struktur und konstruiert die föderativen Elemente nach dem gleichen Prinzip dieser Form von Gewaltenteilung, erscheint die Ausbildung eines Gewaltmonopols sehr schwierig, wenn nicht unmöglich. Am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland würde das bedeuten, drei Gewalten pro Bundesland und für den Bund selbst. Das wären dann siebzehn mal drei oder einundfünfzig bewaffnete Gewalten.

Man kann die Idee der föderalen Struktur immer weiterführen, bis man die Gesellschaft bis auf das einzelne Individuum herunter gebrochen hat. Es ist nun zwingend logisch, dass das einzelne Individuum keine Gewaltenteilung aufbauen kann. Auch sehr kleine Einheiten wie die Familie oder Großfamilie werden das nicht tun können. Diese Strukturen werden im Sinne des Subsidiaritätsprinzips übergeordnete Strukturen um Hilfe ersuchen, Aufgaben wie die der Gewaltenteilung, innere Sicherheit, Krankenversicherung usw. zu übernehmen. Subsidiaritätsprinzip und föderales Prinzip stellen somit gegenläufige Kräfte dar, aus denen heraus sich eine Mindestgröße für ein föderales, staatliches Element entwickeln wird. Auf diese Weise lässt sich ein Gewaltmonopol verhindern, ohne dass man Waffen für Privatpersonen erlauben müsste.

Die Verhinderung der Ausprägung eines Gewaltmonopols erscheint aber zwingend notwendig, wenn man Machtmissbrauch verhindern will. Ein solches System von Gewaltenteilung hat sich bisher aber nicht durchgesetzt und es erscheint auch utopisch, dass dies geschehen wird. Denn vom Status quo aus betrachtet, ist der jeweilige Staat im Besitz eines Gewaltmonopols. Der Staat müsste bereit sein, auf dieses Monopol zu verzichten.

Privatrechtsgesellschaft

Inwiefern unterscheidet sich das im vorigen Abschnitt beschriebene Prinzip von einer Privatrechtsgesellschaft? Aus dem Gedanken, das föderale Prinzip bis zur Ebene der Familie oder des Individuums weiter zu denken, folgt automatisch, staatliche Elemente in private umzuwandeln. Aus dem Subsidiaritätsprinzip folgt nicht zwingend, dass eine staatliche, föderative Struktur um Hilfe gebeten werden muss. Man kann sich auch private Einrichtungen, wie Sicherheitsfirmen, vorstellen, die die Aufgaben des Sicherheitsdienstes übernehmen. Genau so können Versicherungsunternehmen die Aufgaben von Sozial- und Krankenversicherungen und den Aufbau eines Gesundheitswesens übernehmen. Wichtig ist, dass es jeweils mehrere gibt, so dass Konkurrenz untereinander jedes einzelne Unternehmen zwingt, gute Dienstleistungen zu erbringen. Schlechte Dienstleistungen werden einen Kunden zur Kündigung und dem Wechsel zu einem anderen Dienstleister veranlassen.

Unterschiede zwischen einer weit vorangetriebenen Aufgliederung staatlich, föderaler Strukturen und einer Privatrechtsgesellschaft lösen sich damit auf. Das Prinzip der Aufgliederung macht auch Strukturen wie eine „Nobilitas naturalis“, wie von Röpke in Jenseits von Angebot und Nachfrage formuliert, überflüssig. Und das ist gut so. Denn, wann immer man eine Struktur schafft, die zusätzliche Elemente unnötig macht, kann man möglichst große Einfachheit und damit Transparenz der Strukturen erzielen.

Der Haken an der Idee: Unabhängig davon, für welche Lösung, staatliche oder privatrechtliche, man sich entscheidet, wird im Ergebnis ein ursprünglich übergeordneter Staatsapparat keine Gewalt mehr besitzen, eigene Interessen durchzusetzen. Er kann nur noch das behandeln, was von unten zugelassen wird. Das entspricht zwar der Grundidee einer Demokratie, dass die Exekutive dem wählenden Souverän untergeordnet ist, aber dennoch, ist auch dies womöglich nur eine Utopie, die in der Praxis scheitern wird.

Ein dritter Weg

Die meisten Menschen dürften sich an den Gedanken gewöhnt haben, dass sich menschliche Gesellschaften überwiegend in Form von Staaten organisieren. Staaten können dabei demokratische Rechtsstaaten, Monarchien, Oligarchien oder auch Diktaturen usw. sein. Auf der anderen Seite gibt es zumindest theoretisch auch die Möglichkeit, eine Gesellschaft privatrechtlich zu organisieren, ganz ohne Staat.

Nun gibt es zum einen Vertreter, die die Staatsform gegenüber der Privatrechtsgesellschaft bevorzugen und andere, die das genau umgekehrt sehen. Bei Menschen, die den Staat bevorzugen, grenzen sich einige ab, die einen sogenannten Minimalstaat wünschen. Diese Menschen gehen von der Überlegung aus, dass es Aufgaben innerhalb einer Gemeinschaft gibt, die nicht oder nicht ausreichend privat organisiert werden können.

Staaten charakterisieren sich unter anderem über das Maß an Freiheit, das sie ihren Bürgern gewähren. Weiterhin kann man einen Staat über die Staatsquote, das ist der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, als auch über den Anteil an Steuern, die man von seinem Einkommen an den Staat abtreten muss, beschreiben. Dabei gibt es zum einen graduelle Übergänge zwischen den Staatsformen. Zum anderen bleiben die genannten Größen in einem bestimmten Staat nicht konstant. In Deutschland nimmt zum Beispiel die Entwicklung der Staatsquote seit Gründung zu. Mit zunehmender Staatsquote wird der Staat totalitärer und die Freiheit der Bürger nimmt ab.

In seinem Buch Kritik des Interventionismus vergleicht Ludwig von Mises die beiden Wirtschaftsformen Kommandowirtschaft und freie Marktwirtschaft. Der hier interessierende Aspekt ist, dass er behauptet, dass es keine Zwischenform gibt. Wenn Staatsakteure in die freie Marktwirtschaft mittels Interventionen „steuernd“ eingreifen, so Mises, führt dies zu Störungen und Ungleichgewichten, die die nächste Intervention notwendig machen. Mit der ersten Intervention beginnt die Interventionsspirale. Ein Prozess, der zwangsläufig die freie Marktwirtschaft zur Kommandowirtschaft mutiert. Es kann keinen stabilen dritten Weg zwischen diesen beiden Wirtschaftsformen geben, da die Interventionsspirale nicht zu stoppen sei.

Diese Überlegung zur Interventionsspirale aus der Betrachtung von Wirtschaftssystemen möchte ich nun auf eine Staatsspirale bei Gesellschaftsformen übertragen. An den beiden extremen Enden der Gesellschaftsformen sehe ich den totalitären Staat an einem und die Privatrechtsgesellschaft am anderen Ende. Wann immer eine Privatrechtsgesellschaft den ersten politischen Eingriff erfährt, in Form der Gründung einer Behörde oder Regierung, der Aufgaben delegiert werden, wird dieser den nächsten Schritt, die Gründung der nächsten Behörde etc., nach sich ziehen. Gewählte wollen wieder gewählt werden. Sie machen Versprechungen und schaffen Pöstchen für ihre Leute. Der Staat wächst und wächst. Es entsteht eine Staatsspirale.

Dazu kommt, dass ein staatlicher Eingriff die Freiheit mindestens eines Marktteilnehmers einschränken wird. Denn im Gegensatz zur Privatrechtsgesellschaft treffen politische (Mehrheits-) Entscheidungen alle Mitglieder einer Gesellschaft. In der Privatrechtsgesellschaft betreffen Entscheidungen nur die Vertragsteilnehmer.

Mit dem ersten staatlichen Eingriff mutiert die Privatrechtsgesellschaft zum totalitären Staat. Einen stabilen dritten Weg wird es nicht geben. Die Privatrechtsgesellschaft ist bis heute Utopie, der totalitäre Staat nicht. Geht der eine unter, ist der nächste schon am entstehen.

Allgemeine Kritik am bestehenden System

In seinem Buch Homo demens stellt sich Tom-Oliver Regenauer im Abschnitt „Aufarbeitung – Jetzt!“ die Frage, „zu welchem Zeitpunkt der Postmoderne sich die Zivilisation von den Werten der Aufklärung, vom Humanismus, den allgemeinen Menschenrechten und der >>souveränen Autonomie des Individuums<< . . . verabschiedet hat.“ Es bedürfe „einer Phase der . . . Reflexion. Die Gesellschaft muss sich selbstkritisch mit den im negativen Sinne einzigartigen Geschehnissen der vergangenen zweieinhalb Jahre auseinandersetzen, um daraus Lehren zu ziehen.“ Er verweist auf das im Rubikon Verlag erschienene Buch „Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen – Das Coronaunrecht und seine Täter“ und nennt es ein wichtiges zeitgeschichtliches Dokument, da es den oben erfragten Zeitpunkt beschreibe. Im weiteren Verlauf äußert er richtigerweise, dass jeder Tyrann Folgsame, Ängstliche, Gutgläubige und Obrigkeitshörige um seine Flagge schart. An anderer Stelle im selben Buch fragt er, ob der „überforderte Mensch der Postmoderne für den Status Quo noch Verantwortung übernehmen“ kann, da dieser Homo consumens „aufgrund systeminhärenter Devolutionsprozesse . . . längst in der unbewussten Unmündigkeit angekommen“ sei.

Wenn Herr Regenauer hier recht hat, stellt sich mir die Frage, inwiefern ein Mensch, der keine Verantwortung mehr übernehmen kann, zur Wahl gehen sollte oder gar dürfte? Denn es sieht doch so aus, dass dieser Homo consumens die Mehrheit in der Gesellschaft darstellt und mit dieser in der Lage ist, eine Minderheit derer, die noch in der Lage und willens sind, Verantwortung übernehmen zu können, zu überstimmen. Doch welcher normal denkende Mensch wollte anderen das Wahlrecht entziehen? Das ist in meinen Augen nur schwer, wenn überhaupt vorstellbar.

Wie wollte man nun aber ein solches System verändern, ein System, in dem eine Mehrheit zum Homo consumens mutiert werden kann und das sich von Humanismus und Autonomie des Individuums (Stichwort Impfzwang) verabschiedet hat? Es spielt dabei keine Rolle, wer manipuliert! Es kommt einzig darauf an, zu erkennen, dass es eine intrinsische Eigenschaft der Breiten Masse ist, manipulierbar zu sein. Es werden sich im Laufe der Zeit schon welche finden, die das ausnutzen können, wollen und tun. Es ist ja nicht so, als gäbe es keine Beispiele in der Geschichte. Man kann auch fragen, ob von solchen, die zur Macht streben, überhaupt Interesse an einer grundsätzlichen Veränderung besteht oder das eigentliche Ziel darin liegt, selbst Teil der Macht zu werden? In diesem Zusammenhang frage ich mich, wieso Regenauer John Lennon aus dem Song Working Class Hero mit dem Satz zitiert: „There`s room at the top they are telling you still, but first you must learn how to smile as you kill, if you want to be like the folks on the hill“? Gibt es keine bessere Idee als selbst Teil der Macht zu werden?

Nun, Kritik am bestehenden System gibt es zuhauf. Es wird der Versuch unternommen, vernünftige Verbesserungsvorschläge zu machen. Es wird wissenschaftlich, kritisch-rational argumentiert. Es erscheint mir, als habe man Hoffnung, das System selbst zum besseren wenden zu können, ist man nur lange genug rechtschaffen aufklärerisch tätig. Diese Hoffnung habe ich aufgegeben. Die herrschende Kaste wird ihre Macht nicht freiwillig hergeben. Und Erfahrungen während der Pandemie, auch persönliche, waren zu eindrücklich, als das ich noch daran glauben könnte, dass die Breite Masse sich grundsätzlich ändern kann und sich nicht mehr manipulieren lässt. Auch möchte ich niemandem irgendwelche Vorschriften machen oder gar das Wahlrecht entziehen, ein No-Go. Also – quo vadis?

Die Begriffe „libertär“ und „Staat“ schließen sich eigentlich gegenseitig aus. Dies gilt spätestens dann, wenn man unter einem Staat ein Gebilde versteht, in dem sich alle Mitglieder zumindest in einem Punkt einer Mehrheitsentscheidung unterordnen. Unterstellt man, dass diese Mehrheitsentscheidung nicht einstimmig getroffen wurde, folgt die Minderheit in diesem Punkt nicht den eigenen Überzeugungen. Positiv formuliert schränkt die Minderheit ihre Freiheit selbst ein. In einer Privatrechtsgesellschaft könnte man das verhindern, in dem man nur Verträge abschließt, die den eigenen Überzeugungen entsprechen. Ich spreche trotzdem von einem Staat, da sich, nach meiner Einschätzung, die meisten Menschen eine Gesellschaft in Form eines Staates vorstellen. „Staat“ steht also zunächst nur dafür, dass man sich als Gesellschaft „irgendwie“ organisiert.

Das große Scheitern oder eine biologische Lösung

In den vorangegangenen Abschnitten habe ich häufig von Utopie gesprochen. Selbst die Idee der Schaffung eines Rechtsstaats mit echter Gewaltenteilung halte ich für eine Utopie. Damit meine ich, dass der Durchschnittsintellekt des Homo sapiens, der eine Gesellschaft determiniert, nicht die Fähigkeit zur Durchsetzung eines Gemeinwesens mit echter, sprich dauerhafter Gewaltenteilung besitzt. Dies führe ich auf die Unfähigkeit zu echter Selbstreflexion zurück: Einmal erlangte Überzeugungen werden auch dann nicht verworfen, wenn am Ende des eigenen „kritisch-rationalen“ Denkprozess eine Widerlegung dieser Überzeugungen steht. Die Breite Masse ist damit zumindest insofern manipulierbar, als dass sie den Widerspruch hinnimmt und „trotzdem“ der Führung folgt. Aus diesem Grund, behaupte ich, werden Homo sapiens Gesellschaften immer scheitern. Eine Umwandlung bestehender Gesellschaften von innen heraus kann daher nicht gelingen, bestenfalls temporär (siehe auch den Newsletter von adpunktum S.5 zum Thema Gesellschaftsformen).

Gerade in alternativen Medien liest man viel Kritik an bestehenden Verhältnissen. Man schaut dabei auf andere und macht sich sehr viel Mühe damit, sich mit deren Gedanken, Leistungen, Versagen zu beschäftigen (z.B. 1, 2). Ich bin der Überzeugung, dass man mehr auf sich selbst und seines Gleichen schauen sollte und was man selbst denken und erschaffen könnte: Fokus nach innen, nicht nach außen; machen nicht meckern. Genau in diesem Sinne äußert Sascha Koll, „dass man die Machthaber, den Staat, oder wie auch immer man diese Berufskriminellen nennen will, bloß konsequent ignorieren müsste, um sie loszuwerden.“

In diesem Sinne bedarf es der Abspaltung einer kritischen Masse von Menschen in mehrere unabhängige parallele Strukturen. Diese Menschen charakterisieren sich vor allem dadurch, dass sie zur Selbstreflexion in der Lage sind, dass sie erkennen, wann ein eigener Gedanke falsch ist und dass sie bereit sind, diesen zu verwerfen. Sie sind außerdem zu freiwilliger Kooperation fähig und lehnen Machtausübung über andere ab. Diese Menschen gründen eine Privatrechtsgesellschaft. Und aus dem Wunsch heraus, um nicht zu sagen Sehnsucht, sich die neue Gesellschaft nicht zerstören lassen zu wollen, werden sie Zuwanderung zwar begrüßen aber gründlichst kontrollieren. Selbstverständlich werden sie Abwanderung zulassen. Auf der anderen Seite werden nur solche der neuen Gesellschaften überleben, die auch bereit sind, erhebliche Mittel in die äußere Verteidigung zu investieren.

Durch die daraus automatisch und freiwillig entstehende neue Gesellschaft, man hat sich abgespalten, freiwillig zusammengefunden und niemanden vertrieben, ergibt sich eine räumliche Trennung einer Gruppe von Menschen, die sich signifikant von den zurückgelassenen Menschen unterscheidet. Diese Form von räumlicher Trennung kann als Anfang zur Ausbildung einer neuen Homo sapiens Unterart angesehen werden. Manche verweisen gar auf genetische Unterschiede. Robert Grözinger zum Beispiel schreibt, dass es für den Menschen grundsätzlich zwei Arten gibt, sich mit einem Problem auseinanderzusetzen: „Erstens: Er schließt sich der „Herde“ an und tut, was sie tut. . . . Zweitens: Er nutzt seine geistigen Fähigkeiten, um das Problem . . . zu lösen“ und vermutet, „Der Grund dafür sei in der Genetik zu verorten.“. Philipp A. Mende wiederum fragt: „Gibt es wissenschaftliche Evidenz für die Annahme, dass sich hinter den zum Teil extremen Unterschieden in „linken“ und „rechten“ (konservativen) Denk- und Verhaltensmustern evolutionspsychologische und genetische Gründe verbergen könnten?“. Diese neue Unterart wird dauerhaften Angriffen von Homo sapiens Gesellschaften ausgesetzt sein. Es entsteht ein Selektionsdruck, der nur solche neuen Gesellschaften überleben lässt, die sich verteidigen können.

Die Fähigkeit zur Ausprägung einer sich selbst verteidigenden Privatrechtsgesellschaft und mit ihr eines freien Marktes, wird diese der Homo sapiens Gesellschaft weit überlegen machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die neue Unterart sich durchsetzen wird, ist gegeben. Oder ist auch dies nur eine Utopie? Die Bildung neuer Arten und das verschwinden alter ist keine Utopie sondern brutale(,) biologische Realität.

Damit komme ich auf den ersten Abschnitt dieses Beitrags zurück. Menschen libertären Geistes finden sich zusammen und gründen eine eigene Gemeinschaft. Die räumliche Separation kann den Beginn einer Aufspaltung des Homo sapiens in zwei Unterarten darstellen. Die neue Unterart unterscheidet sich zumindest in zwei Eigenschaften signifikant vom Homo sapiens. Zum einen sind deren Individuen zu echter Reflexion fähig. Zum zweiten zeichnet sich die neue Unterart durch ihren Willen und Fähigkeit zur Verteidigung der eigenen Gesellschaft aus. Neben der Fähigkeit zur Selbstreflexion und dem Willen zur Selbstverteidigung wird die Fähigkeit zur Kooperation ohne Machtanspruch notwendig sein. Letzteres erscheint bei den Libertären, die ich im Sinne habe, aber bereits in Fleisch und Blut übergegangen zu sein. Ob dies im Rahmen einer Privatrechtsgesellschaft gelingen kann? Zweifel sind berechtigt. Wenn sich mehrere solcher Gesellschaften ausbilden, ist am Ende vielleicht eine dabei, die den Herausforderungen gewachsen ist.

Vorteile einer neuen Gesellschaftsform

Immer wieder erleben wir in der Geschichte, dass die breite Masse von den Herrschenden manipuliert wird. Die Gesellschaftsform, in der dies geschieht, spielt offenbar keine Rolle. Im Osten, wie im Westen, im Süden, wie im Norden – überall das gleiche. Ob wir nun also Gesellschaften der sogenannten ersten Welt mit ihren „Demokratien“ betrachten oder totalitäre Systeme im Osten: die Massen werden manipuliert. Wenn also die Gesellschafts- oder vielleicht besser, Herrschaftsform, keine Rolle spielt und Manipulation überall möglich ist, kann man auf den Gedanken verfallen, dass es eine Eigenschaft der Breiten Masse ist, manipulierbar zu sein.

Dieser Verdacht wurde in den vorangegangenen Beiträgen im Prinzip vorweggenommen, in dem zwischen zur Selbstreflexion fähigen wie unfähigen Menschen unterschieden wurde. Selbstreflexion und kritisch rationales Denkvermögen stellen die Grundvoraussetzungen für eine neue Gesellschaftsform dar. Ist diese in Form einer Privatrechtsgesellschaft organisiert und sichergestellt, dass diese nicht in irgendeine Form von Mehrheitsgesellschaft umgewandelt werden kann, braucht man sich vor einer „Diktatur einer Mehrheit“ nicht zu fürchten. Niemand muss sich einer Mehrheit beugen, egal aus welcher Denkrichtung man stammt. Man entscheidet alleine für sich, welche Verträge man eingeht. Es gibt keine Zwangsabgaben wie Steuern oder Gebühren, deren Zahlung ein Staat über sein Gewaltmonopol erzwingen kann.

Eine dramatische Überzeichnung von Katastrophen wie Klimawandel, saurer Regen, Diskriminierung und Ausgrenzung Andersdenkender, sollten in der neuen Gesellschaftsform nicht vorkommen, da es kein Medienmonopol geben wird. Dies würde ein weiteres Element zur Sicherung der Gesellschaftsform darstellen, da eine Manipulation vieler durch wenige nicht möglich ist.

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