Bei der Bundestagsdebatte über die Impfpflicht spricht Karl Lauterbach davon, dass es „diverse“ Wellen geben wird und dass Omikron „tiefer in die Lunge“ eindringen könnte. Bei diesen Aussagen sticht zumindest mir sofort ins Auge, dass es sich um Prognosen oder Vorhersagen handelt. Die können zutreffen oder halt auch nicht. Dabei wird mit etwas nicht Existentem Angst geschürt, ganz ohne Faktencheck. An dieser Stelle sollten wir uns nur merken: Lauterbach hat sich schon häufiger geirrt. Laut ihm sollten alle Ungeimpfen und nicht Genesenen bereits tot sein.

Ich bleibe lieber bei Fakten oder nackten Zahlen – Zahlen, die das RKI bereitstellt. Anhand dieser Zahlen möchte ich prüfen, was es mit „diversen“ Wellen auf sich haben könnte oder ob das „tiefer in Lunge eindringen“ von Omikron etwas ist, vor dem man nachweislich Angst haben müsste. An dieser Stelle nur so viel: Das mit dem „tiefer eindringen“ darf man nicht wörtlich nehmen. Fragen wir uns einfach nur: wird es schlimmer oder wird es besser? Was zeigen uns tatsächlich existierende Zahlen? Lassen wir zauberlauterhafte Vorhersagen mit Trelawneys Kristallkugel die Treppe hinunter kullern.

Zusammenfassung

Seit Beginn Juli 2021, die Impfquote liegt zu diesem Zeitpunkt knapp 40 Prozent und steigt im weiteren Verlauf auf 75 Prozent, nimmt die Inzidenz stark zu. Das bedeutet, die Impfung konnte die Ausbreitung des Virus nicht verhindern. Der Zweck des Infektionsschutzgesetzes, die Ausbreitung einer Infektionskrankheit zu verhindern, wurde nicht erfüllt.

Im Gegensatz dazu fällt die Hospitalisierungsrate seit Anfang 2021, die Rate der Intensivpatienten sowie die Fallsterblichkeitsrate seit Juli 2021. Alle drei Parameter können als Indikator für die Entwicklung der Schwere der Infektion dienen. Alle Parameter zeigen sich völlig unbeeindruckt von der Inzidenz. Es sieht so aus, dass mit der Impfung und spätestens mit dem Auftreten der Omikron Variante die drei Parameter von der Inzidenz entkoppeln und auf niedrigem Niveau verharren. Sowohl Impfung als auch Omikron Variante scheinen einen positiven Effekt zu haben und die Schwere des Verlaufs einer Coronainfektion zu lindern.

Das niedrige Niveau aller drei Parameter, Hospitalisierung, Intensivbettenbelegung und Tote, sind ein deutliches Indiz dafür, dass es besser und eben nicht schlimmer wird. Die Pandemie dürfte sich damit erledigt haben.

Diverse Wellen

Die folgende Abbildung zeigt den Verlauf der Inzidenz (schwarz), der Positivrate (blau) sowie der Impfquote (cyan) der vollständig Geimpften. Man erkennt entweder sechs Wellen oder vier, wenn man die letzten drei als eine einzige, sich aufschaukelnde, große Welle sehen möchte oder vielleicht auch fünf – auf jeden Fall aber divers. Das Maximum der letzten Welle wird Ende März erreicht.

Feststellen kann man: Die Zahl der Infizierten nimmt stark zu. Die Impfquote liegt bei gut 75 Prozent. Den Schluss, dass impfen hilft, kann ich aus diesen Daten nicht ziehen.

Omikrons tiefes Eindringen

Hospitalisierungen

Die Zahl der Infizierten nimmt von Mitte 2021 bis Ende März 2022 sehr stark zu. Doch kann man daraus schließen, dass die Infektion auch schlimmer wird? Dies kann man an Hand der Entwicklung der Schwere der Verläufe bestimmen, an Hand der relativen Anzahl an Hospitalisierungen, Intensivpatienten und Toten im Vergleich zu den Infizierten.

Die folgende Abbildung zeigt den Verlauf der Hospitalisierungsrate (schwarz), also der Anzahl der Hospitalisierten im Verhältnis zur Inzidenz sowie die Impfquote (cyan). Zu Beginn der Pandemie, schwankt die Hospitalisierungsrate um zwei Prozent bis ins dritte Quartal 2020, nimmt dann zu und erreicht ein Maximum von vier bis 4,5 Prozent um den Jahreswechsel 2020, 2021. Seit Februar 2021 fällt die Hospitalisierungsrate auf etwa ein bis zwei Prozent. Ab Ende 2021, mit dem Auftreten der Omikron Variante fällt die Hospitalisierungsrate auf unter ein Prozent.

Der Abfall der Hospitalisierungsrate beginnt in etwa mit dem Zeitpunkt der Impfung also Anfange 2021. Der Abfall hält bis Mitte des Jahres an. Zu diesem Zeitpunk beträgt die Impfquote etwa 35 Prozent. Bei weiterer Zunahme der Impfquote um das Doppelte auf etwa 70 Prozent, ändert sich die Hospitalisierungsrate nicht mehr. Erst mit dem Auftreten der Omikron Variante fällt die Hospitalisierungsrate weiter auf unter ein Prozent. Ignoriert man das lokale Minimum im Juli 2021 kann man auch eine kontinuierliche Abnahme der Hospitalisierungsrate seit Anfang 2021 vermuten. Eine wellenförmige Ausprägung, wie sie bei der Inzidenz beobachtet wird, ist hier nicht zu erkennen.

Intensivpatienten

Die folgende Abbildung zeigt das Verhältnis der Intensivpatienten zur Zahl der Infizierten (violett) sowie die Impfquote (cyan). Zunächst fällt ein deutlicher Unterschied im Verlauf zur Hospitalisierungsrate auf. Man erkennt zwei etwa gleich große Maxima um circa 30 Prozent. Das erste Maximum tritt zur ersten Welle 2020 auf, das zweite zur ersten Welle 2021. Von Juli 2020 bis Anfang April 2021 fällt die Rate der Intensivpatienten. Im Zuge der zweiten Welle 2020 steigt die Rate der Intensivpatienten von zehn auf 20 Prozent und fällt dann wieder auf 10 Prozent ab. Nach der ersten Welle 2021 fällt die Rate der Intensivpatienten deutlich auf unter zehn Prozent ab, mit einem kurzzeitigen Minimum von etwa drei Prozent kurz vor Beginn der zweiten Welle 2021. Mit Beginn der zweiten Welle 2021 steigt die Rate der Intensivpatienten an und schwankt dann von Oktober 2021 bis Ende 2021 zwischen vier und knapp acht Prozent. Im Unterschied zur Inzidenz, die mit Beginn des Jahres 2022 rasant ansteigt, fällt die Rate der Intensivpatienten auf etwa ein Prozent.

Die Rate der Intensivpatienten nimmt ab April 2021 parallel mit der Impfquote zu. Hier zeigt sich also ein gegenteiliges Bild im Vergleich zur Hospitalisierungsrate. Ende Juni 2021, bei einer Impfquote von etwa 35 Prozent und etwa vier Wochen nach Auftreten der Delta Variante fällt die Rate der Intensivpatienten stark ab. Nach dem Auftreten der Omikron Variante fällt die Rate der Intensivpatienten dann auf ein Allzeittief von einem Prozent. Die Intensivbettenbelegung durch Coronapatienten zeigt im Vergleich zur Hospitalisierungsrate eine stärkere wellenförmige Ausprägung, wenn auch nicht so stark, wie das bei der Inzidenz zu beobachten ist.

Fallsterblichkeitsrate

Die folgende Abbildung zeigt die Fallsterblichkeitsrate (FSR, schwarz) zusammen mit der Impfquote (cyan). Die FSR verläuft wellenförmig parallel zur Inzidenz bis einschließlich der zweiten Welle 2021. Die zweite Welle 2020 zeigt den größten Wert mit etwa 2,7 Prozent. Auch dies passt zum Verlauf der Inzidenz, zumindest bis einschließlich der zweiten Welle 2021. Von April bis Ende Juni 2021, erste Welle 2021, nimmt die FSR parallel zur Impfquote auf zwei Prozent zu. Ab Juli fällt sie stark auf 0,1 Prozent ab, um dann mit der zweiten Welle 2021, Mitte Dezember, wieder auf 0,5 Prozent zuzunehmen. Ab Ende Januar 2022 bis Anfang April verläuft die FSR auf konstant niedrigem Niveau bei etwa 0,1 Prozent.

Dunkelziffer bei den Infizierten

Der wellenförmige Verlauf ist bei der FSR stärker ausgeprägt als bei der Intensivbettenbelegung und nochmals stärker als bei den Hospitalisierungen. Die Zahl der Toten halte ich für den qualitativ besten Parameter. Warum die FSR für eine gegebene Variante stark schwanken sollte, lässt sich biologisch nicht wirklich erklären. Ich ziehe daraus den Schluss, dass die Dunkelziffer mit steigender Prävalenz zunimmt. Nimmt man eine Sterberate von 0,25 Prozent an, wie von Ioannidis für die erste Variante berichtet, kann man für das Maximum der zweiten Welle 2020 eine Dunkelziffer von Faktor zehn abschätzen. Damit wäre die Inzidenz der zweiten Welle 2020 nicht 400 sondern 4.000 und damit in der gleichen Größenordnung wie in der ersten Welle 2022. Das kann man allerdings nur grob abschätzen. Die Zahl durchgeführter Tests ist im ersten Quartal 2022 etwa 1,5 mal so hoch wie während der zweiten Welle 2020 und das Testregime wurde geändert. Beides dürfte zu einer niedrigeren Dunkelziffer beitragen.

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