Ein dritter Weg
Die meisten Menschen dürften sich an den Gedanken gewöhnt haben, dass sich menschliche Gesellschaften überwiegend in Form von Staaten organisieren. Staaten können dabei demokratische Rechtsstaaten, Monarchien, Oligarchien oder auch Diktaturen usw. sein. Auf der anderen Seite gibt es zumindest theoretisch auch die Möglichkeit, eine Gesellschaft privatrechtlich zu organisieren, ganz ohne Staat.
Nun gibt es zum einen Vertreter, die die Staatsform gegenüber der Privatrechtsgesellschaft bevorzugen und andere, die das genau umgekehrt sehen. Bei Menschen, die den Staat bevorzugen, grenzen sich einige ab, die einen sogenannten Minimalstaat wünschen. Diese Menschen gehen von der Überlegung aus, dass es Aufgaben innerhalb einer Gemeinschaft gibt, die nicht oder nicht ausreichend privat organisiert werden können.
Staaten charakterisieren sich unter anderem über das Maß an Freiheit, das sie ihren Bürgern gewähren. Weiterhin kann man einen Staat über die Staatsquote, das ist der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, als auch über den Anteil an Steuern, die man von seinem Einkommen an den Staat abtreten muss, beschreiben. Dabei gibt es zum einen graduelle Übergänge zwischen den Staatsformen. Zum anderen bleiben die genannten Größen in einem bestimmten Staat nicht konstant. In Deutschland nimmt zum Beispiel die Entwicklung der Staatsquote seit Gründung zu. Mit zunehmender Staatsquote wird der Staat totalitärer und die Freiheit der Bürger nimmt ab.
In seinem Buch Kritik des Interventionismus vergleicht Ludwig von Mises die beiden Wirtschaftsformen Kommandowirtschaft und freie Marktwirtschaft. Der hier interessierende Aspekt ist, dass er behauptet, dass es keine Zwischenform gibt. Wenn Staatsakteure in die freie Marktwirtschaft mittels Interventionen „steuernd“ eingreifen, so Mises, führt dies zu Störungen und Ungleichgewichten, die die nächste Intervention notwendig machen. Mit der ersten Intervention beginnt die Interventionsspirale. Ein Prozess, der zwangsläufig die freie Marktwirtschaft zur Kommandowirtschaft mutiert. Es kann keinen stabilen dritten Weg zwischen diesen beiden Wirtschaftsformen geben, da die Interventionsspirale nicht zu stoppen sei.
Diese Überlegung zur Interventionsspirale aus der Betrachtung von Wirtschaftssystemen möchte ich nun auf eine Staatsspirale bei Gesellschaftsformen übertragen. An den beiden extremen Enden der Gesellschaftsformen sehe ich den totalitären Staat an einem und die Privatrechtsgesellschaft am anderen Ende. Wann immer eine Privatrechtsgesellschaft den ersten politischen Eingriff erfährt, in Form der Gründung einer Behörde oder Regierung, der Aufgaben delegiert werden, wird dieser den nächsten Schritt, die Gründung der nächsten Behörde etc., nach sich ziehen. Gewählte wollen wieder gewählt werden. Sie machen Versprechungen und schaffen Pöstchen für ihre Leute. Der Staat wächst und wächst. Es entsteht eine Staatsspirale.
Dazu kommt, dass ein staatlicher Eingriff die Freiheit mindestens eines Marktteilnehmers einschränken wird. Denn im Gegensatz zur Privatrechtsgesellschaft treffen politische (Mehrheits-) Entscheidungen alle Mitglieder einer Gesellschaft. In der Privatrechtsgesellschaft betreffen Entscheidungen nur die Vertragsteilnehmer.
Mit dem ersten staatlichen Eingriff mutiert die Privatrechtsgesellschaft zum totalitären Staat. Einen stabilen dritten Weg wird es nicht geben. Die Privatrechtsgesellschaft ist bis heute Utopie, der totalitäre Staat nicht. Geht der eine unter, ist der nächste schon am entstehen.