Von Bismarck zu Hitler – Einführung

Das Buch: Von Bismarck zu Hitler Untertitel: Entstehung und Untergang des Deutschen Reiches Sebastian Haffner Kindler Verlag GmbH, 1987

Das Deutsche Reich ist durch eine kurze Lebensdauer gekennzeichnet: Von 1871 – 1945, nur 74 Jahre. Zählt man sein Vorstadium, den Norddeutschen Bund sowie die Nachkriegszeit bis 1948, in der die vier Siegermächte Deutschland noch als Einheit verwalten wollten, hinzu, kommt man nur auf gut 80 Jahre. Diese 80 Jahre kann man in vier sich deutlich voneinander unterscheidende Perioden unterteilen, in denen Deutschland jedesmal ein anderes Deutschland wurde. In dieser kurzen Zeit wurden fünf Kriege geführt. Es begann mit drei Kriegen und endete in zwei ungeheuren Weltkriegen.

Haffner fragt, woran das alles liegt? Waren die Deutschen kriegerischer als andere Völker? Er kommt zu dem Schluss, dass, wenn man die ganze Geschichte der Deutschen betrachtet und somit etwas mehr als tausend Jahre, die Deutschen bis zu Bismarcks Zeit sehr wenige Kriege und kaum Angriffskriege führten. Deutschland lag seit Beginn der Neuzeit in der Mitte Europas als eine Art große, vielgestaltige Pufferzone, in die andere oft hineinwirkten. Außerdem gab es interne Streitigkeiten, die nicht aggressiv nach außen wirkten.

Haffner zitiert den amerikanischen Historiker David Calleo: „Das Deutsche Reich wurde eingekreist geboren.“ Es war in geografischer Hinsicht schlecht dran. Andererseits war es eine Großmacht und hatte deshalb auch Großmachtinstinkte. Doch das Reich besaß eine ungeschickte Größe: Es war auf der einen Seite wahrscheinlich stärker als jede andere einzelne europäische Großmacht aber selbstverständlich schwächer als eine Koalition mehrerer. „Deutsches Reich“ konnte entweder heißen: so viel Deutschland, wie Preußen beherrschen kann oder so viel Europa und Welt, wie Deutschland beherrschen kann. Das erste war die Auslegung Bismarcks; das zweite die Hitlers.

Der Weg von Bismarck zu Hitler ist die Geschichte des Deutschen Reiches, zugleich schon die Geschichte seines Untergangs. Denn es ist das Unheimliche an dieser Geschichte, dass das deutsche Reich fast von Anfang an seine eigene Zerstörung betrieben zu haben scheint. Es schuf sich eine Welt von Feinden, an der es zerbrochen ist. Mit der Teilung Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg hörten wie mit einem Zauberschlag die Feinde auf Feinde zu sein. Seit ihrer Gründung hatte die Bundesrepublik keine Feinde im Westen und die DDR keine im Osten.

Sebastian Haffner, Von Bismarck zu Hitler, Kindler Verlag GmbH, 1987